Wo der Weiße Tee wächst – Unsere Reise nach Fujian

Wo der Weiße Tee wächst – Unsere Reise nach Fujian

Ankunft in Fuding, Fujian

Es gibt wohl keinen besseren Zeitpunkt über unsere Tee-Reise nach Fuding zu berichten, als jetzt während ich den Royal Pai Mu Tan trinke, den ich zusammen mit Jonas, meinem Vater und seiner neuen Frau, Xiao Qing (beim Schreiben fällt mir auf, wie ungewohnt es ist auf einmal eine Stiefmutter zu haben) gepflückt habe.

Als wir unsere Reise nach China geplant haben, war sie eigentlich nicht als Geschäftsreise gedacht, denn wir wollten primär meine Eltern und Freunde besuchen. Aber das Wissen über Tee das wir auf dieser Reise, in den Teebergen Fudings unter anderem von Xiao Qing erlangt haben, ist so umfangreich und wertvoll, dass aus unserem Urlaub in China wahrlich eine große Teereise geworden ist.

Es war 2 Jahre her, dass ich meinen Vater das letzte Mal gesehen hatte und dieses Mal brachten wir ihm seinen Enkel mit, den er nun zum erstem Mal sah. Das Erste was mir Xiao Qing als “Jian Mian Li” (Geschenk zum ersten Kennenlernen) in die Hand drückte, war eine kleine Tüte mit Yin Zhen Silver Needle. Sie sagte, dass es die absolut erste Ernte diesen Jahres sei und dass Sie den Tee zusammen mit meinem Vater gepflückt hatte. Ich schaute die durchsichtige Plastiktüte an und sah die hübschen, silbrigen Teenadeln in gleichmäßiger Größe beisammen liegen, als ob sie jemand fein säuberlich angeordnet hätte. Ich steckte meine Nase in die Tüte und der fruchtige Geruch der jungen Silbernadeln war so intensiv, dass ich mich unmittelbar erfrischt fühlte. Und das, obwohl ich eine mehr als 24 stündige Anreise hinter mir hatte.

Auf dem Weg in die Teeberge

Ich fragte Xiao Qing, ob wir auch ebenfalls Tee pflücken könnten. Sie teilte mir mit, dass die Teeplantage ihrer Tante gehört und dass es, wie in jedem Jahr, zu wenig Helfer gab um all die jungen Teeblätter der Büsche rechtzeitig zu ernten. Wir könnten also sehr gerne so viel Tee pflücken wie wir wollten.

Zwei Tage später fuhr uns mein Vater zu den Teefeldern der Plantage in den Bergen Fudings. In den Dörfern auf dem Weg dorthin, sahen wir allerorts wie Familien ihre Teeblätter in großen, runden aus Bambus gewebten Tellern trockneten. An den Berghängen standen Teebauern mit ihren Körben voller Teeblätter Schlange um diese an Teehändler zu verkaufen. Die Teeblätter wurden nach dem System 1 Knospe mit 1-2 Blättern gepflückt. Das Ausgangsmaterial um die Top-Qualität des Royal Pai Mu Tan (auch König Pai Mu Tan gennant.).

Kurze Zeit später würden wir ebenfalls Blätter für den Royal Pai Mu Tan pflücken. Wären wir 2 Wochen eher nach Fuding gereist, hätten wir Yin Zhen Silver Needle ernten können. Denn wenige Wochen zuvor waren die nun jungen Blätter noch allesamt geschlossene Knospen.

Wären wir hingegen weitere 2 Wochen später als jetzt nach Fuding gekommen, dann wäre auch die Zeit des Royal Pai Mu Tan vorbei und wir hätten stattdessen nur Pai Mu Tan oder Shou Mei gepflückt. Diese bestehen ausschließlich aus jungen Blättern und jedoch keinen Knospen.

Die Ernte des Royal Pai Mu Tan

Wir erreichten die Teeplantage, die etwa die Größe eines Fußball Feldes hatte, das in einem Winkel von 45° am Berghang gelegen ist. Bei unserer Ankunft befanden sich dort nur 4 Personen.

Zwei Mädchen und die Tante und der Onkel von Xiao Qing waren damit beschäftigt Tee auf dem Feld zu pfücken. Nachdem wir sie mit Rufen begrüßt hatten, quetschten wir uns ziwschen die Teesträucher und versuchten uns vor lauter Aufregung zu beruhigen.

Soweit meine Augen sehen konnten, waren wir umgeben von Teesträuchern mit lauter jungen, saftigen Blättern und Knospen. Ich konzentrierte meinen Blick auf die Blätter direkt vor mir und begann damit “Spatzenzungen” (Sparrow Tongues) zu pflücken. Das ist die Bezeichnung für eine Knospe mit einem nicht ganz geöffnetem Blatt. Aber das Ernten war gar nicht so einfach. Obwohl die Teesträucher ringsrum überseht waren mit den jungen Knospen und Blättern, konnte ich sie nicht mehr direkt ausmachen sobald ich nach ihnen greifen wollte. Ich war sehr langsam die perfekten Spatzenzungen zu identifizieren.

Eines der Mädchen kam zu mir und meinte, dass ich es etwas zu ernst nähme mit dem “eine Knospe und ein Blatt”. Nun wäre sowieso schon eher die Zeit reif um “eine Knospe und zwei Blätter” zu pflücken. Wenn ich nur ein Blatt nehmen würde, dann blieben viele junge Blätter an den Büschen übrig und das wäre Verschwendung. Wenn ich also stattdessen zwei Blätter nehme, könnte ich in kurzer Zeit mehr Tee ernten. Dieses Argument klang einleuchtend und ich stellte mir die Lage eines Teepflückers vor. Wenn mein Lohn davon abhing wieviel Tee ich in bestimmter Zeit ernten konnte, würde ich das Prinzip der Spatzenzungen wohl auch etwas weniger ernst nehmen. Es sei denn, ein Auftraggeber würde es exakt so anordnen und sich diese Qualität ausdrücklich wünschen.

Nach zwei Stunden ausgiebigem Tee-Pflücken waren mein Daumen und Zeigefinger bedeckt mit dem Saft der aus den Teeblättern austrat und ich wurde immer langsamer darin, die zarten Blätter auszumachen. In der gesamten Zeit hatte ich wenig mehr als 200g frische Teeblätter geerntet.

Wo es zuvor noch sehr attraktiv und romantisch schien, ein Teefarmer in den grünen Teebergen Chinas zu sein, machte sich nun die Realität breit. Aber ich begann ein größeres Mitgefühl für Teepflücker zu entwickeln. Es ist eine harte Arbeit, besonders wenn wenigen Wochen später die sengende Hitze des subtropischen Sommers einsetzen würde.

Die 200g Teeblätter meiner Ernte würden gerade mal 50g getrockneten Tee ergeben. Diese Tatsache ist Grund dafür, dass dieser Tee sehr hochpreisig ist. Er wird vollständig von Hand gepflückt. Von der Ernte bis in die Tüte ist keine Maschine beteiligt.

 

Teetrocknen auf unserem Balkon

Nach 4 Stunden haben wir zu viert etwa 1kg frische Teeblätter geerntet. Zu Hause, breiteten wir die Blätter vorsichtig auf runden, geflochtenen Bambusflächen aus. Wir legten sie auf unseren Balkon in die Nachmittagssonne. In den nächsten 2 einhalb Tage würde das Wetter ideal sein: Sonnig und dennoch windig, also perfekt um die frischen Teeblätter welken zu lassen. Nach etwa 2 Stunden in der Sonne, brachten wir die Blätter in den Schatten. Sie gaben einen wunderbaren Duft ab, der mich an weiße Trauben und junge Rosen erinnerte. Dieses Aroma beeinflusste meine äußerst positiv. Ich fühlte mich entspannt, glücklich und dankbar wenn ich die Luft in der nähen der weißen Teeblätter einatmete. Das war fast schon magisch.

 

Zubereitung und Genießen

Als Xiao Qing entschied, dass der Royal Pai Mu Tan fertig sei, spülten wir einen Gaiwan mit heißem Wasser aus und füllten etwa 8g der Teeblätter ein. Die trockenen, fluffigen Blätter bildeten einen kleinen Berg der die Tasse sogar überragte. Ich setzte den Deckel auf die Tasse und schüttelte den Gaiwan kurz und kräftig. Dann reichte ich das Porzellan an die anderen weiter um an den Blättern zu riechen. Dies war der beste Moment um den Pai Mu Tan zu duften. Die Wärme die das heiße Wasser zurück ließ, erwärmt die Blätter und führt dazu, dass diese ihr maximales Aroma freigeben. Jonas vertieft seine Nase in den Gaiwan und roch am Porzellandeckel. Er sagte, dass es sei, als ob die Luft von Orchideenduft erfüllt wäre. Einfach wunderbar. Meinen Vater erinnerte der Duft an den Geruch eines Berges im Frühling um 4 Uhr am Morgen.

Wir brühten die Teeblätter mit dem ersten Aufguss, welchen wir anschließend ausgoßen. Dies dient dazu, die Blätter von Staub und kleinen Teebröseln zu reinigen. Ein weiterer Effekt ist, die Blätter zu “wecken”, so dass sie mehr von ihrem Aroma und ihrem Geschmack entfalten. Nach dem ersten Aufguss weichte das blumige Aroma und ein intensiver Geruch nach Honigmelone und Limetten entfaltete sich.

Nun brühten wir den Tee mit 80°C heißem Wasser auf und ließen ihn etwa 1 Minute lang ziehen. Weißer Tee benötigt eine längere Ziehzeit als grüne oder schwarze Teesorten.

>> Siehe Gong Fu Tee Zubereitung

Jeder von uns bekam eine klitzekleine Teetasse des eigens geernteten Tees. Sofort nach dem Probieren war ich hingerissen von dem süßen Geschmack. Mich erinnerte er erneut an weiße Trauben. Ähnlich wie der Duft zuvor nur im Geschmack noch deutlich intensiver. Himmlisch war auch die nahezu dickflüssige Struktur des Tees die meinen Mund vollkommen auszufüllen schien. Die Temperatur schien genau richtig zu sein, denn man brauchte keine Angst haben sich beim Trinken den Mund zu verbrennen. Der Tee rann einfach durch die Lippen.

Wir brühten die 8g Tee noch mindestens weitere 7 mal zu. Bei jedem Aufguss erlebten wir andere, aufregende Aromen. Der Geschmack entwickelte sich langsam von süß sauer die an Früchte erinnert zu einer intensiven Süße die Richtung Honig geht.

In Momenten wie diesen in denen wir zusammen mit unseren Lieben sitzen und selbst gepflückten Tee genießen, frage ich mich: Was kann man mehr Leben erwarten?

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